Kaum eine Branche stellt derzeit so hohe Anforderungen an die Logistikimmobilienbranche wie der E-Commerce. Das dynamische Wachstum und das Streben nach immer kürzeren Lieferzeiten der Online- und Multi-Channel-Händler verändern deutlich die Ansiedlungsstruktur.
Das Online-Geschäft lässt sich aufgrund seiner besonderen Anforderungen nicht von jedem Standort in Deutschland optimal durchführen. Durch dieses Marktsegment des Handels ist eine neue Nachfrage nach Lager- und Umschlagskapazitäten entstanden. Dementsprechend ist der E-Commerce ein starker Treiber für Neubauentwicklungen von Logistikimmobilien und wird es weiterhin bleiben. Dies liegt nicht nur am wirtschaftlichen Wachstum der Branche selbst. Vielmehr drängt es verstärkt auch den stationären Handel und das produzierende Gewerbe, eigene Online-Vertriebskanäle aufzubauen – so wie auch einige Online-Händler ihren Kunden inzwischen stationäre Basen durch eigene Shops oder assoziierte Handelspartner bieten. Die Philosophie dahinter lautet „Multi-Channel“. Der Kunde soll auf dem von ihm gewünschten Weg zum Produkt finden. Es sind also längst nicht mehr nur die großen Player wie Amazon, ebay und Zalando, die den Markt beeinflussen. Täglich kommen neue Anbieter und neue Onlineshops hinzu – die Welt des Onlinehandels ist einem permanenten Wandel unterworfen. Dabei haben die immer schnellere Warenauslieferung und Konzepte wie Same-Day-Delivery oder Zeitfensterzustellung gravierende Auswirkungen auf die Standortwahl.
Vor wenigen Jahren zeigte sich vor allem die Region Nordhessen als Zentralhub für die Distribution der gesamten Republik. Auch die Region Erfurt konnte in diesem Segment zahlreiche Ansiedlungen verzeichnen. Die Distributionszentren der E-Commerce-Händler sind von Westen nach Osten zentral durch Deutschland - zwischen der A2 im Norden und dem Main im Süden - breiter verteilt. Damit eine schnelle Belieferung der Kunden möglich ist und die Kosten dabei gering bleiben, konzentrierten sich viele vor allem große Onlinehändler mit einem umfangreichen Warenangebot auf die Mitte Deutschlands und realisieren dort große Fulfillment-Center. Mit rund 50% ist der Anteil der Logistikzentren über 50.000 m² hier so hoch wie in keiner anderen Branche. Bekannte Ansiedlungsbeispiele sind die Lager von Zalando (2011) und Koch, Neff & Volckmar (2013) in Erfurt. Die schnelle Lieferung zum Kunden übernehmen von diesen Zentrallägern aus dann flexible und leistungsfähige Kurier-Express-Paket-Dienstleister.
Mittlerweile rücken die E-Commerce-Händler jedoch zunehmend näher an die Verbraucher und lösen sich teilweise von der Zentralstandort-Strategie. Denn die Nähe zum Kunden ist von besonderer Bedeutung, soll doch immer schneller und kostengünstiger geliefert werden.
So werden seit einiger Zeit einerseits mehr und mehr kleinere Flächen für die Erweiterung im Waren- und Serviceangebot, aber vor allem als Lagerflächen für kleinere Anbieter nachgefragt. Diese kommen hauptsächlich aus der „old economy“ und wenden sich nun dem Multi-Channel-Geschäft zu, indem sie Handel über das Internet betreiben, eigene Shops aufbauen und so ihre Vertriebswege erweitern. Diese Ansiedlungen konzentrieren sich aus den oben genannten Gründen wieder vornehmlich im „Mittelgürtel“ Deutschlands von Münster bis Berlin und von Trier bis Hof.
Zum anderen führt die zunehmende Bedeutung von immer kürzeren Lieferzeiten zu einem Wandel bei der Flächennachfrage: Riesige Logistikzentren bilden die Ausnahme, Onlinehändler suchen stattdessen verstärkt die Nähe zu Ballungsräumen, um ihre Kunden noch schneller beliefern zu können. Vor allem die großen Marktplayer achten immer mehr darauf, die Verteilung der Standorte insoweit zu optimieren, dass eine kurze Lieferzeit der Waren zum Kunden garantiert werden kann.
Für die Zukunft ist zu erwarten, dass immer mehr Unternehmen dem Weg der „Pioniere“ folgen werden. Sie benötigen kleinere Cross-Dock- und Verteilzentren nahe den großen Ballungsräumen, um die Ware noch schneller zum Besteller zu befördern. Dies können jedoch nur Unternehmen bewerkstelligen, die über das nötige Volumen verfügen. Sie werden sowohl große Distributionszentren betreiben, aus denen bestimmte Produktgruppen direkt ausgeliefert, andere Artikel mit höherer Priorität aber in kleineren Verteilzentren vorgehalten werden. Unternehmen, die nicht über die Mengen für eine Regionalisierung der Distributionsstrukturen verfügen, werden sich weiter in der Mitte Deutschlands ansiedeln.