Ein Fachbeitrag von Kuno Neumeier, CEO der Logivest
In den Jahren 2020/2021 hat die Corona-Pandemie den E-Commerce auf dem deutschen Logistikimmobilienmarkt nach oben katapultiert. Doch das Licht des ehemals größten Flächennachfragers scheint im letzten Jahr verglüht. Logistikflächen wurden untervermietet oder gar nicht erst bezogen. Der einstige Treiber der Logistikneubauflächen und Wachstumsmotor des gesamten Handels verzeichnet im Jahr 2023 massive Einbrüche.
Laut dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) sank der Warenumsatz im Onlinehandel 2023 um knapp 12 Prozent beziehungsweise knapp 20 Prozent im Vergleich mit dem Rekordjahr 2021. Noch drastischer spiegelt sich die Lage auf der Immobilienseite wider. Nur rund 110.000 Quadratmeter Neubaufläche kann der E-Commerce 2023 verzeichnen – ein Minus von über 500.000 Quadratmetern im Vergleich zum Jahr 2022.
Doch auch beim Groß- und Einzelhandel zeigten die schwache Konjunktur sowie massive Preisanstiege bei den Neubaumieten ihre Wirkung. So sinken die Neubaustarts im gesamten Handel (inklusive Online) von fast zwei Millionen Quadratmetern im Jahr 2022 auf knapp 570.000 Quadratmeter im Jahr 2023.
Allein die Segmente Food und Automotive konnten im letzten Jahr Zuwächse in puncto Neubauvolumen verbuchen. Mit einer Gesamtneubaufläche von knapp 590.000 Quadratmetern und einem Plus von rund 170 Prozent zählt die Automobilindustrie zu den absoluten Gewinnern. Ausschlaggebend dafür ist vor allem der Neubau des „Global Parts Centern“ von Daimler Truck in Halberstadt. Und auch die Lebensmittelindustrie steigert sich um mehr als 70 Prozent.
Talsohle des E-Commerce erreicht
Auch wenn das letzte Jahr in puncto Neubaustarts eher mau war – mit 3,8 Millionen Quadratmeter liegt das Volumen im Jahr 2023 deutlich unter dem Niveau der letzten fünf Jahre –, die Talsohle scheint erreicht. So ist beispielsweise im Handelssektor die Pipeline für die nächsten Jahre gut gefüllt.
Vom stationären Einzelhandel über den Großhandel bis zum E-Commerce - rund eine Million Quadratmeter werden vom Handel ab 2024 beplant. Darunter Projekte wie ein neues Vollsortimentlager von Edeka im brandenburgischen Brieselang. Rund 150.000 Quadratmeter Lagerfläche sollen hier bis 2028 fertiggestellt und in Betrieb genommen werden. Im gate.ruhr Industriepark in Marl, auf der Fläche des ehemaligen BASF-Kraftwerks, plant das Buchhandelsunternehmen Thalia bis 2025 die Fertigstellung eines Gebäudekomplexes mit rund 125.000 Quadratmetern. Mit der entstehenden flexiblen Produktions- und Logistikkapazität will der Branchenführer seine Omnichannel-Strategie umsetzen und sich vor allem gegen den Onlineriesen Amazon positionieren.
Ein positives Zeichen, das sich in der E-Commerce-Branche fortsetzt. Während der bevh ein nominales Wachstum von rund 2 Prozent für das Jahr 2024 erwartet, ist auch die Pipeline der Logistikneubauprojekte für die nächsten Jahre wieder gut gefüllt. So ist der Onlinehandel zwar nicht mehr auf Platz eins, schafft es aber immerhin unter die Top drei Treiberbranchen des deutschen Logistikimmobilienmarkts und übernimmt im Handelssegment wieder die Führungsrolle.
Potenzial und Veränderungen bei Logistikdienstleistern und Automobilindustrie
Gut gefüllt ist die Pipeline auch bei Logistikdienstleistern und der Automobilindustrie. Beide Branchen konnten sich auch im schwierigen Jahr 2023 mit vergleichsweise guten Zahlen positionieren – die Logistikdienstleister belegten sogar Platz eins.
Wie sich der Dienstleister-Markt in den kommenden Jahren entwickelt, hängt von mehreren Faktoren ab. Denn während einerseits Neubauprojekte mit über 800.000 Quadratmetern geplant sind, steigen andererseits die Freikapazitäten. So verzeichnet die Logistikdienstleisterbörse Logivisor.com bereits heute einen massiven Angebotszuwachs an bewirtschafteten Lagerflächen.
Und auch auf Automotive-Seite stehen die geplanten Projekte einer generellen Marktveränderung gegenüber.
Hightech auf dem Vormarsch
Den deutlichsten Aufwärtstrend verzeichnet hingegen eine Branche, die im Jahr 2023 vergleichsweise wenig Bewegung zeigte: Das Batterie- und Elektroniksegment hat nicht nur spannende Neuprojekte in Planung, sondern demonstriert auch, dass ein Blick rein auf die Lagerflächenplanungen möglicherweise zu kurz gegriffen ist – zumindest wenn es um eine längerfristige Prognose geht.
So plant beispielsweise CATL für 2025 den Bezug eines knapp 55.000 Quadratmeter umfassenden Logistikimmobilienneubaus in der thüringischen Gemeinde Grammetal. Für den chinesischen Batteriehersteller ist das Projekt die logische Weiterentwicklung seines Werkes am nahegelegenen Erfurter Kreuz. Ein Fakt, der nicht nur für die eigenen Lagerkapazitäten gilt. Wenn man einen Blick auf die Entwicklung der Werksflächen wirft, fällt auf, dass es im letzten Jahr seitens der Batteriebranche zwar kaum Nachfrage bei den Logistikneubauten gab, bei den neuen Werksflächen ist die Branche jedoch bereits auf Platz eins.
Ob Intels modernste Chip-Produktion bei Magdeburg, die Fabrik für Solar-Wafer von NewWafe in Bitterfeld-Wolfen oder die Gigafactory der Tesvolt AG in Wittenberg – gerade im Osten der Republik, zwischen Erfurt, Dresden und Magdeburg, sind für die nächsten Jahre mehrere neue Produktionsstätten geplant. Ob dadurch in den nächsten Jahren eine neue Hightech-Region entsteht, wird sich zeigen. Doch mit Sicherheit ziehen die neuen Werke langfristig gesehen auch neue Zuliefererbetriebe und Logistiker an, was wiederum auch die Flächennachfrage auf dem Logistikimmobilienmarkt nach oben treibt.
Dieser Artikel ist auch als Gastbeitrag in der DVZ erschienen.